Erdfeste der Natur-Dialog Bewegung

Erdfest in Lanzenhäusern (CH): Gemeinsam mit anderen Familien vor Ort »indigen« werden, d.h. eine dauerhafte, emotionale Beziehung mit dieser Erde aufbauen, die uns trägt und nährt. Text und Foto: Remo Ryser

Erdfest-Naturdialoge: 7 Orte – 7 Menschen, die sich dort zuhause fühlen – 7 Dialoge mit den Elementen
Mitwirkende der Natur-Dialog Bewegung waren eingeladen, am 20. Juni an einem Ort, zu dem sie Erdbezug haben, in Kontakt mit den Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft zu gehen. Sie sind danach jenen Impulsen und Handlungen gefolgt, die sich für und mit dem Ort erschliessen wollten.  

Zum Beispiel:
Lanzenhäusern (CH): Vom Glück des gemeinsamen Streunens
Wir wohnen zusammen mit weiteren Familien am Rande der wilden Senseschlucht, sind daran, hier «indigen» zu werden, d.h. eine dauerhafte, emotionale Beziehung mit dieser Erde aufzubauen, die uns trägt und nährt. Wir stellen uns vor, dass sich unsere Vorfahren streunend mit dem Land vertraut gemacht haben, und tun es ihnen heute gleich. Wir gehen für einmal ohne Ziel los. Nicht die Wege geben uns die Richtung vor, sondern wir lassen uns anziehen von dem, was uns anspricht. Woher kommt dieses leise Plätschern? Was sich wohl im Dunkel dieser versteckten Höhle verbirgt? Wohin bringt uns dieser kaum sichtbare Wildpfad? Wie es sich wohl anfühlt, unter der riesigen Eiche dort unten Platz zu nehmen? Immer wieder rasten wir. Lassen den jeweiligen Ort auf uns wirken. Schauen, lauschen, spüren. Erzählen uns gegenseitig, weshalb uns gerade dieser Ort fasziniert. Erkunden den Platz auch mal mit geschlossenen Augen. Bitten irgendwann um einen nächsten «Ruf», wer oder was auch noch von uns besucht werden möchte. Machen ein Feuer. Bauen mit Sand und stauen mit Steinen. Waschen uns am Fluss gegenseitig die Füsse. Danken dem Wasser mit einem Lied, das der Wind davonträgt. Was wir daraus lernen: Streunen bringt uns ins Hier und Jetzt. Macht uns frei und wach für bisher Ungesehenes bzw. Übersehenes. Gibt uns ein Gefühl des Beschenktwerdens und -seins. Nährt das Gefühl, hier willkommen und eingebettet zu sein, als Teil eines vitalen Lebensnetzes menschlicher und anders-als-menschlicher Mitbewohner*innen.

Remo Ryser
 

Donaueschingen (D): Dem Luft-Raum erdhaft verbunden
Zum Erdfest 2020 saßen wir zu zweit für gut eine Stunde in der Zeit des Sonnenuntergangs (21:30 bis 22:45 Uhr) in aller Stille auf einer Waldlichtung im Naturpark Südschwarzwald. Im Hintergrund der Gesang des Rotkehlchens, von Singdrossel und Amsel – begleitet vom lautlosen Flug einer Fledermaus - vor uns ganz plötzlich zwei Rehe mit einem kurzen Besuch auf der Waldlichtung – und um uns herum die ersten Nachtfalter auf ihrem Flug in einen neuen »Tag«.
Für mich eine Zeit des »Ausstiegs« aus dem Tagesgeschehen und ein »Einstieg« in das Gefühl des wunderbaren Eingebundenseins in den Rhythmus der Natur – ein behutsamer Abschied vom Tag hinein in die sanfte Begrüßung der kommenden Nacht. Es wird mir in dieser Zeit der »Blauen Stunde« immer wieder bewusst, wie sanft und friedlich das vergehende Recht des Tages in das aufkommende Recht der Nacht übergeht – auch in dem Bewusstsein, dass am nächsten Morgen die Dunkelheit der Nacht wieder dem Licht des Tages weicht und wie regelmäßig und selbstverständlich dieses Kommen und Gehen, dieses Verabschieden und Begrüßen, dieses Leben und Sterben in die natürlichen Kreisläufe eingebunden ist – Kreisläufe auch im Verständnis der Erde und wie sie diese »festlich« begeht.

Olfert Dorka

Im Raum Bern (CH): Radikale Partizipation
An einem Feuer werden Impulse, die während eines Schwellenganges zusprangen, vertieft. Daniel spricht und schreibt über »Radikale Partizipation«: »Darunter verstehe ich die Beteiligung aller Betroffenen, beispielweise bei Bauprojekten. Alle Betroffene umfasst tatsächlich alle Betroffene, also Menschen, Pflanzen (Blumen, Bäume), Tiere, alles Leben. Hintergrund dieser `Radikalen Partizipation´ ist Neuseelands Fluss Whanganui River, der als `weltweit erst zweite natürliche Ressource´ (nach dem ebenfalls in Neuseeland befindlichen Te Urewera), den Status einer juristischen Person erhalten hat. Meines Erachtens genügt es nicht, wenn wir bei menschengemachten Projekten und Eingriffen Studien und Machbarkeitsanalysen erstellen, um dieser Art Partizipation gerecht zu werden. Vielmehr müssen wir den natürlichen Betroffenen ebenfalls eine Stimme oder mehrere geben, die sich im Rahmen von Bau- und anderen Prozessen zu Wort melden.«

Daniel Osterwalder
 

In der Nähe von Landsberg am Lech (D):

Lejos de la ciudad
Vengo del aire caliente que mueve el cañaveral
Traigo el olor a mi gente de limón y de azahar
Vengo de andar la vereda del agua por el brazal
Del granado y de la higuera de sombra pa' descansar

Weit weg von der Stadt
Ich komme aus der heissen Luft, die das Zuckerrohrfeld bewegt
Ich bringe meinem Volk den Geruch von Zitrone und Orangenblüte
Ich komme vom Weg des Wassers durch die Armbinde
Vom Granatapfel und dem Schattenfeigenbaum zur Ruhe

Muerdo
 

Weitere Erdfest-Naturdialoge haben stattgefunden in Zürich, St.Gallen, Potsdam

Die Natur-Dialog Bewegung vernetzt Menschen und Organisationen, die den natur-dialogischen Ansatz in verschiedenen beruflichen Feldern in der Arbeit mit Menschen einbeziehen. Natur-Dialog geht davon aus, dass Natur mit eigener, eigenständiger Stimme spricht, die uns Menschen eine Beziehung von Wechselseitigkeit und Zugehörigkeit ermöglicht.

www.natur-dialog.org

Familien-Erdfest in Lanzenhäusern: Plätze erkunden, ihnen lauschen – und antworten. Foto: Remo Ryser

Erdfest im Raum Bern: An einem Feuer die Idee der »Radikalen Partizipation« vertiefen. Foto: Daniel Osterwalder

Erdfest bei Landsberg am Lech (D): Dem Lech lauschen. Foto: Natur-Dialog Bewegung

Erdfest bei Landsberg am Lech: Verbindung im Dazwischen. Foto: Natur-Dialog Bewegung

Erdfest bei Landsberg am Lech: Im Dialog mit der Luft, den Wolken, dem Licht. Foto: Natur-Dialog Bewegung

Erdfest bei Landsberg am Lech: Was erfahre ich vom Feuer? Foto: Natur-Dialog Bewegung

Link zur*m Initiativträger*in: 
Natur-Dialog Bewegung