Hochschule Darmstadt – Projekt Grüner Journalismus

Journalismus-Student*innen beim Erdfest im Internationalen Waldkunstzentrum. Foto: Andreas Kelm
Journalismus-Student*innen beim Erdfest im Internationalen Waldkunstzentrum. Foto: Andreas Kelm

Die Erdfest-Initiative im Kontext journalistischer Ausbildung

von Prof. Torsten Schäfer, Direktor Journalismus am Institut für Kommunikation und Medien der Hochschule Darmstadt

Im Sommersemester 2018 nahm eine journalistische Lehrredaktion, die zu Waldthemen arbeitete, an der ERDFEST-Initiative teil. Im Vordergrund standen praktische Schreibübungen im Wald, die in einem kleinen Lesefest am Internationalen Waldkunstzentrum in Darmstadt gipfelten. Ich ziehe hier ein Zwischenfazit für einen Ausbildungsansatz, den es nun zu vertiefen gilt. 

Die m. E. derzeit interessanteste und publizistisch gerade starke Bewegung ist das »Nature Writing«, das ich in einem Dossier für den Journalismus versucht habe handhabbar zu machen (siehe auch die Vorarbeiten im Dossier zu Biodiversität und Medien aus dem Jahr 2014). In der journalistischen Lehre an der Hochschule Darmstadt spielt das Genre schon länger eine Rolle durch einzelne Übungen und Kurzexkursionen im Master Medienentwicklung sowie auch Schreibwerkstätten mit Darmstädter Gymnasien. In diesem Sommer habe ich in der Lehre sowie extern einige Kurse im praktischen »Nature Writing« gegeben, die mich bei der Theoriebildung sowie der Entwicklung neuer Lehrformate weitergebracht haben.

An der Hochschule arbeitete im Sommersemester 2018 eine umweltjournalistische Lehrredaktion des BA Onlinejournalismus an Porträts zu Menschen, die eine besondere Beziehung zum Wald haben (siehe Projektbeschreibung hier sowie Artikel im Darmstädter Echo). Der zweite Schwerpunkt waren Übungen zum »Nature Writing« im Dieburger Wald, auf dem Darmstädter Oberfeld und zum Schluss auf dem Internationalen Waldkunstpfad in Darmstadt.

Flankiert haben wir diese Übungen, die ganz verschiedene Schreibperspektiven einnahmen (z. B. Deep-Mapping, Baumporträt, Panoramareflexion, Anthropomorphisieren), mit Theoriebausteinen zu Verbundenheitsansätzen, Umwelt- und Klimajournalismus sowie der Bedeutung von Natur als gesellschaftlichem Resonanzraum.

Die Rückmeldungen der Studierenden zu den Übungen waren so positiv, dass es mir nötig erscheint, hier noch tiefer zu arbeiten und ganze Blockseminare mit Lernorten im Freien auszurichten, die sich auf »journalistisches Nature Writing« beziehen. Gerade die ERDFEST-Initiative war für die Motivation der Studierenden wichtig, da sie mit ihr das Gefühl hatten, in einem prominenten institutionellen Rahmen zu arbeiten, der eine gewisse Beachtung verspricht.

Auch wenn zur Lesung im Internationalen Waldkunstzentrum dann, nicht zuletzt wohl wegen des unfreundlichen Wetters, nur wenige Besucher*innen erschienen sind, war es für alle ein großartiges Gefühl, mit einer kleinen Aktion Teil eines größeren Netzwerks zu sein, das zur gleichen Zeit mit der gleichen Zielsetzung an so vielen Orten in Deutschland aktiv war – eine ganze andere Erfahrung im Vergleich zu sonstigen singulären Seminaren oder Vorträgen.

Dazu kam für mich auch das Gefühl des Semesterfinales und auch der Sommersonnenwende, zu der weltweit alle Kulturen an diesem Datum die Natur feiern. Insofern ist das Erdfest auch eine sehr internationale Veranstaltung! Schön war die Begleitung durch den Soziologen Davide Brocchi, der die Gruppe befragt hat und die ganze Zeit dabei war. Für den neuen Ansatz, den das Erdfest versucht, spricht die mediale Aufmerksamkeit trotz der geringen Besucherzahl: Das Darmstädter Echo berichtete ausführlicher über das Lehrprojekt und das Erdfest an sich.

Ich freue mich, im nächsten Semester mit Hildegard Kurt und Andreas Weber bei uns im Studiengang Onlinejournalismus in einem Seminar an neuen Wegen zu arbeiten, wie junge Zielgruppen für Natur interessiert werden können. Das wird ein weiterer Beitrag zur ERDFEST-Initiative sein, die für mich eine einzigartige Chance bietet, neue Wege in der Naturvermittlung und auch dem Umweltjournalismus aufzuzeigen.

Zwar sind rein informative, berichtende Formen, die die kognitive Wahrnehmung bedienen, für den aktuellen Journalismus sehr wichtig; dennoch sind die Grenzen dieser Art der Vermittlung hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Bildungs- und Transformationspotenziale offensichtlich geworden.

Lebendige, neue Wege der Umwelt- und Naturberichterstattung werden vielfach angemahnt (siehe hierzu Interviews mit Andreas Weber und Martin Meister), die auch eine ganzheitliche Rezeption ermöglichen, sei es durch eine Wahrnehmung auf intuitiver, emotionaler, sensitiver oder gar meditativer Ebene, womit auf die Kommunikationskonzepte des Philosophen und Journalistik-Professoren Claus Eurich verwiesen wird. Ausführlichere Überlegungen hierzu habe ich 2017 nach der Konferenz »Die Große Transformation und die Medien« in der Evangelischen Akademie auf der Berliner Insel Schwanenwerder in einigen Thesen dargelegt.  

Mit einer kleinen Aktion Teil eines größeren Netzwerks zu sein, das zur gleichen Zeit mit der gleichen Zielsetzung an so vielen Orten in Deutschland aktiv war. Foto: Torsten Schäfer
Mit einer kleinen Aktion Teil eines größeren Netzwerks zu sein, das zur gleichen Zeit mit der gleichen Zielsetzung an so vielen Orten in Deutschland aktiv war. Foto: Torsten Schäfer