Kulturpate e.V., Berlin
Nachlese zu einem total verregneten Erdfest am Berliner Wannsee
von Zehra Cirak, Autorin und Leiterin der Schreibwerkstatt
Wir begingen unser erstes Erdfest mit vierzehnjährigen Berliner Schüler*innen im Rahmen der Schreibwerkstatt »Das Wasser schreiben« am Wannsee. Für einige war der Besuch dort eine Premiere! Es mutet seltsam an und stimmt mich traurig, dass diese Jugendlichen ihren Berliner Wannsee noch nicht kennen!
Dazu haben sie auch noch Angst zu ertrinken, falls bei der Überfahrt nach Kladow bei dem angekündigten Gewitter das Boot untergehen sollte ...
Noch scheint die Sonne, und wir staunen über die Schönheit des Sees und der grünen Landschaft ringsum. Die Schüler sind quirlig und laut, und es ist kein Moment zum besinnlichen Beschauen der schönen Natur.
Ein heftiger Wind kommt auf, und es regnet.
Einige Schüler fragen mich: »Ist der Wannsee ein Meer, wo wir dann, wenn es stürmt, mit dem Boot ertrinken könnten?«
Nein, wir fahren mit einer sicheren Fähre.
Nein, es wird nur etwas regnen.
Nein, ihr werdet nicht ertrinken im See.
Während der Überfahrt mit der Fähre lesen die Schüler*innen ihre Texte vor.
Später stehen und sitzen sie am Wasser unter einem Regenschirm, den ich ihnen über die Köpfe halte, und lesen dort ihre Texte vor. Der Wind und der heftige Regen weichen die Papiere, worauf ihre Texte stehen, auf und sie fliegen ihnen aus den Händen.
Kreischend und nass geworden rennen die Schüler*innen umher und suchen ein trockenes Plätzchen. Ein Gartenlokal ist in der Nähe.
»Warum regnet es ausgerechnet jetzt?«, fragt mich eine triefend nasse Schülerin dort bei unserem verregneten Erdfest am Wannsee. Ich sage ihr, es regne nur deshalb, weil sie in der Schreibwerkstatt keinen einzigen Text über den Regen geschrieben haben. Deshalb regnet es gerade jetzt! Vielleicht ein literarischer Racheregen für das Fest der Erde?
Die Schülerin setzt sich grübelnd unter einen Schirm des Gartenlokals und schreibt sogleich ein Gedicht über den Regen. Warum es an manchen Orten zu viel regnet und woanders alles wegen Trockenheit und Dürre verkommt.
Später auf der Rückfahrt mit der S-Bahn in die Innenstadt scheint die Sonne wieder, so, als sei nichts gewesen.
Ein paar nass gewordene und zerknitterte Textseiten habe ich aufgelesen, vor dem Ertrinken im See gerettet und mit nach Hause genommen.