wundersam – Wirkstatt zur Erforschung der Sprachen der Natur

Lebensgewebe im labyrinthischen Auwald: Baumkronensummen der Bienen – Sausen der Käfer – Rhythmus des Spechtes – Ruf des Löwen. Foto: Michael Schels

Sehen und gesehen werden: Expedition in das Labyrinth des Auwaldes
In diesem Jahr kam uns die Erde mit einer Gewitterwarnung entgegen und hielt uns eine Zeit lang in Atem, ob »unser« Erdfest überhaupt stattfinden kann. Die unklaren Wetterbedingungen verfeinerten unseren Blick – diesmal auch mit einem sehr wachen Auge zum Himmel. Wir hatten Glück: Die Ruhe vor dem Sturm begleitete uns bis zum Schluss mit Sonnenschein. Erst in der Nacht rauschten Blitz und Donner herbei.  

Im moorigen Auwald nahe des Nürnberger Tierparks riecht es bei feuchter Witterung nach Löwenfell. Das Baumkronensummen der Bienen, der Rhythmus des Spechtes, die Gesänge der Vögel, das Sausen der Käfer und der Ruf des Kuckucks durchweben den Wald. Manchmal ist auch das Bellen der Seehunde oder das Brüllen der Löwen vom Zoo her zu hören. So zeigt sich die Natur in diesem welttiernahen Lebensreich auf mystisch-verwobene Weise. Labyrinthisch verlaufende Wege bringen den Orientierungssinn des Öfteren in Verlegenheit und bereichern dadurch die Sinne des Wo-bin-ich.

An besonderen Aufenthaltsorten des Waldlabyrinthes gingen wir kreativ in die lebendige Wahrnehmung der Natur und in die Stille mit wortloser Betrachtung und Aufmerksamkeit. Das Lebensgewebe umfing uns: Tiere und Pflanzen verschiedenster Art, vielfältige Lichtstimmungen, Gedankenflüsse, Leibwahrnehmung und Orientierungsbewegungen.

Als unsere Denkersteinchen wieder einmal nach einer Weile zur Seite rollten, fühlten wir Berührungen der feinen Luft und die Kraft des kühlenden Bodens. In solchen Entdeckungsmomenten zeigt sich leise: Menschen können auch anders wahrnehmen, und eine andere, nichtmenschliche Mitwelt taucht auf.

Viele kleine Bächlein begleiteten uns auf dem Rückweg. Wasserläufer brachten das rötlich schimmernde Abendlicht tausendfach zum Glitzern. In der Dämmerung und kurz vor dem Gewitter schlossen wir die Sonnwendexpedition mit einem Dankesgruß an den Auwald und seine nahen und fernen Bewohner in Form einer gemeinsam dargestellten Blüte ab. Jubel.

Aus der Ferne brüllte ein Löwe.

Barbara Kastura, Michael Schels

Hier eine noch ein wenig weiter ausgestaltete Version

Wortlose Betrachtung und Aufmerksamkeit. Foto: Michael Schels

Entdeckungsmomente. Foto: Michael Schels

Viele kleine Bächlein begleiteten uns. Das Wasser glitzerte tausendfach in der Dämmerung. Foto: Michael Schels